Filmkritik: „Die Karte meiner Träume“

Der zehnjährige T. S. Spivett ist ein aufgewecktes Kerlchen. Er ist so intelligent, dass sogar angesehene Wissenschaftsmagazine seine Theorien abdrucken – zur Überraschung seiner Lehrer. Dumm nur, dass er in den Weiten Montanas kaum Möglichkeiten hat, seinen Geist zu nähren und sich zu entfalten. Sein Vater ist ein wortkarger Möchtegern-Cowboy, seine Mutter hat nur Augen für ihre Insektensammlung und seine Schwester lebt wie so viele andere Teenager den Traum von der zukünftigen “Miss Montana”. Als T. S. erfährt, dass er einen Erfinder-Wettbewerb des Smithonian Museum gewonnen hat, beschließt er, sich ohne Wissen und Erlaubnis der Eltern auf den Weg nach Washington D.C. zu machen. Eine abenteuerliche Reise beginnt.

Als der Film vorbei war fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Klar! Der Film konnte nur von Jean-Pierre Jeunet sein! Ich Hornochse, wieso habe ich das nicht gleich gemerkt? Schließlich finden sich hier einige Elemente, die Jeunets “Die fabelhafte Welt der Amelie” zu einem meiner Lieblingsfilme gemacht haben. Jeunet setzt auch hier auf schöne, farbenfrohe Bilder, die gerne mal die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit verwischen. Es dauert keine zwei Minuten und schon setzt dieses wohlig-warme Gefühl im Bauch ein. Erinnert ihr euch an die Einführung einzelner Charaktere in “Amelie”? Ähnlich läuft es auch hier. Durch pointiert gesetzte Visualisierung von Charakterzügen bekommt man in Sekundenschnelle einen guten Eindruck, wie eine Person tickt. Wenn beispielsweise das “Cowboy-Zimmer” des Vaters gezeigt wird, mit ausgestopften Tieren an der Wand, braunen Ledersesseln, Staub im Sonnenlicht und funkelndem bernsteinfarbenen Whiskey, kann man den Muff förmlich riechen. Fünf Sekunden und man glaubt das Zimmer ebenso zu kennen wie den wortkargen Mann, der sich das Zimmer als Schrein eingerichtet hat.

Die Story an sich ist tatsächlich eher harmlos und eigentlich ein lupenreiner Kinderfilm. Natürlich geht auf dem Road-Trip auch mal was schief, T. S. läuft so manch komische Gestalt über den Weg, aber am Ende – Spoiler, Spoiler! – wird alles gut. Aber so ist das nun mal bei Road-Movies: der Weg ist das Ziel. Und da macht es durchaus Spaß, T. S.` heimlicher Beifahrer zu sein.

Zugegeben: an ein, zwei Stellen war mir T. S.´ Intelligenz ein wenig arg “drüber” und im letzten Drittel verliert der Film viel von seiner anfänglichen Poesie. Andererseits: hey, es ist nun mal ein Kinderfilm, an dem auch Erwachsene an vielen Stellen ihre Freude haben werden. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Wertung: 3/5

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert