Heute stand die große Vatikan-Experience an, das volle Programm: vatikanische Museen, vatikanische Gärten, Sixtinische Kapelle und Petersdom. Heute mussten wir ziemlich früh raus, da wir auch für den heutigen Tag ein Skip-the-line-Ticket und sogar eine zweistündige Führung gebucht hatten. Wenn man uns schon auf die schier unendlichen Kunstgegenstände los lässt, die die katholische Kirche in all den Jahrhunderten angesammelt hat, dann bedarf das auch einer gewissen Einordung. Letztlich sollte ich an diesem Tag auch den Moment erleben, der mich bei unserer Rom-Tour am meisten bewegt hat.
Als erstes konnte ich feststellen, dass wir uns am Vorabend ganz umsonst Gedanken gemacht hatten: die nächste U-Bahn-Station ist vom Vatikan doch etwa zehn Gehminuten entfernt. Zudem ist der Vatikan ja recht groß (nicht umsonst ein “Staat im Staat”), da weiß man ja gar nicht, wo man rein muss. Ich war erst mal ein wenig orientierungslos und hielt meinen Stresslevel nur mit einem “Da fahren vor allem so viele ältere Menschen hin, die werden das schon gut ausgeschildert haben” in Zaum.
Es stellte sich heraus: man kann den Vatikan gar nicht verfehlen, weil ab der U-Bahn-Station in kurzen Abständen Fremdenführer an allen Straßen stehen, um Vatikan-Touren an den Mann zu bringen. Die wissen natürlich wo wir lang mussten. Also alles kein Problem. Auch in das Vatikanische Museum sind wir fix reingekommen und haben den separaten Eingang für „skip-the-line“-Menschen schnell gefunden.
Unsere zweistündige Führung durch die Vatikanischen Museen begann dann mit 30 Minuten Sitzen/Stehen. Das absolute Highlight ist natürlich die Sixtinische Kapelle. Die ist auch so schon ewig überfüllt, so dass es die Erläuterungen zu ihrer Geschichte und den einzelnen Wand- und Deckengemälden anhand einer interaktiven Tour auf einem großen Fernseher mit Touchscreen gab.
Mit vielen Infos zu Michelangelos Meisterwerk gerüstet ging es dann erst mal durch die Vatikanischen Museen. Zuerst konnten wir den Außenbereich zwischen den beiden langgestreckten Museums-Flügeln bestaunen. Besonders beeindruckend: die “Sphäre in der Sphäre”, eine Skulptur des italienischen Bildhauers Arnaldo Pomodoro, mitten auf dem Cortile della Pigna. Diese ist von ihren Abmaßungen her genauso groß wie die Sphäre, die auf der Kuppel des Petersdoms sitzt.
Weiter ging es in die gigantisch langen Gänge des Museums, deren Ausmaße schon zu Beginn kaum greifbar wirkten. Und da warteten noch einige Überraschungen…
In einem weiteren Innenhof gab es dann einige sehr bekannte Statuen zu bestaunen:
Wieder im Gebäude sorgten die fantastischen Deckenmalereien für ein in mich hinein gegrummeltes “Hut ab!”.
Und auch die Mosaike sind echt sehenswert.
Letztlich geht man immer nur ein paar Schritte und sieht schon wieder etwas so tolles, das unbedingt fotografiert werden muss. Ich fühlte mich an eine japanische Reisegruppe erinnert. Diesmal war ich eben selbst am Auslöser.
Nachdem wir schon viele Statuen, Mosaike, Wand- und Deckengemälde gesehen hatten und man schon fast übersättigt von all der Pracht war, kam man in die Kartengalerie. Und da stand mir dann trotz all dem Glanz und Pomp, den wir bis dahin gesehen hatten, im wahrsten Sinne des Wortes der Mund offen:
Am profansten waren noch die meterhohen Landkarten entlang der Wände, denen der Raum seinen Namen verdankt. Viel spannender fand ich all die kleinen Deckengemälde mit ihren reichlich verzierten Bilderrahmen. Und das über gut 100 Meter! Wow! Einfach nur wow!
Auch sehr beeindruckend: die Stanzen des Raffael (“stanza” ist ital. für “Zimmer”). 500 Jahre alte riesige Wandgemälde, eines detaillierter als das andere. In jedem Bild versteckten sich so viele Symbole, dass man allein darüber diverse Bände schreiben könnte.
Natürlich dürfen im Vatikan auch keine Bibeln fehlen. In den Museen gab es einige kunstvoll gearbeitete Ausgaben zu bestaunen.
Aus der Sixtinischen Kapelle gibt es dann leider keine Fotos, da dort das Fotografieren verboten ist. Das ist schon ein ziemlich imposanter Raum, dem leider die vielen Menschenmassen schon ein wenig von seinem Charme rauben. Gleich wenn man den Raum betritt wird man von Ordnern weitergescheucht. Bloß nicht stehenbleiben im Eingangsbereich. Das Publikum wird entlang der Wand durch den Raum geführt. Wer verweilen will, um die Meisterwerke entsprechend zu bestaunen, der kann sich in die Raummitte begeben. Und wie wir es an so vielen Orten erlebt haben: auch wenn um Ruhe gebeten wird, wird überall um einen herum gesprochen. Und es gibt anscheinend Menschen, die weder irgendeiner Sprache mächtig sind, geschweige denn kapieren, was einem wohl das Symbol einer durchgestrichenen Kamera sagen will. Nun denn. Nicht ärgern lassen im Gedrängele, sondern tief durchatmen und sich den fantastischen Werken widmen, die Michelangelo hier an die Wände und Decken gezaubert hat. Um dennoch einen Einblick zu geben, gibt es hier einfach ein Foto einer Reproduktionen, die außerhalb der Kapelle auf Schautafeln zu sehen war. Natürlich nicht ein Bruchteil so beeindruckend.
Unsere Tour endete dann in den Gemächern derer von Borgia, bekannt aus der gleichnamigen Fernseh-Serie, die Michaela geschaut hatte. Entsprechend groß war ihre Freude dann diese Räume zu sehen.
Was etwas schade war: wir hatten noch eine Fahrt durch die Vatikanischen Gärten gebucht und hatten nun für den zweiten der beiden langgestreckten Museumsflügel kaum noch Zeit. Sehr schade, denn so beeindruckend auch die ganzen Statuen und Gemälde waren, ich finde in Museen immer eher jene alltäglichen Dinge spannend, die Menschen zu ihrer Zeit getragen oder benutzt haben. Ich erwähnte das auch schon bei meinem Bericht aus dem Kolosseum. Hier nun fanden sich im zweiten Museums-Flügel viele Dinge, die mich echt interessiert hätten: Papstgewänder, Kronen, Zepter etc. Um unsere Tour nicht zu verpassen, sind wir da nur durch geeilt.
Letztlich waren wir natürlich viel zu früh für unsere Bustour durch die Vatikanischen Gärten am Treffpunkt und hätten tatsächlich noch etwas Zeit gehabt. Nun denn. Für jemanden, der selbst im Lauf der letzten Jahre seine eigene Lust auf Gartenarbeit entdeckt hat, ist es natürlich spannend zu sehen, was die mächtigen Kirchenleute denn so mit ihren Vorgärten angefangen habe. Nun ja, sie haben ja ein wenig mehr Platz zum beackern als wir:
Anschließend gab es erst mal eine kleine Stärkung. In der wimmeligen Cafeteria haben wir tatsächlich einen Platz gefunden, der etwas abseits lag.
Nachdem die Energiereserven wieder etwas aufgeladen waren, befolgten wir den Insider-Tipp und begaben uns noch einmal auf kürzestem Weg in die Sixtinische Kapelle. Von hier gibt es neben dem normalen Ausgang noch eine weitere Tür, durch die man direkt in den Petersdom gelangt. Damit erspart man sich das stundenlange Anstehen in der normalen Schlange – zudem in praller Sonne.
Wie man mich kennt, liebe ich es, von oben auf etwas herab zu gucken. Und so war es auch überhaupt keine Frage ob ich denn nicht den Aufstieg zur Kuppel des Petersdoms wage. Es gibt einen Fahrstuhl, der einem gut die Hälfte des Aufsteigs erleichtert. Michi hat sich für den Lift entschieden. Ich nicht.
551 Stufen sind es von ganz unten nach ganz oben. Wenn man den Lift nimmt, so bleiben einem noch 302 Stufen zum erklimmen. Also auch mit Lift ist der Aufstieg nichts für Unfitte. Dank meiner stundenlangen Radtouren fiel mir der Aufstieg aber erstaunlich leicht, vielleicht auch weil die Temperatur auf den Treppen recht kühl war. Der Auf- und Abstieg wurden nach oben hin besonders spannend, da man immer mehr die Wölbung der Kuppel zu spüren bekam: während man schon mit der Schulter an der Wand lang schubberte, war unten kaum Platz, seinen Fuß noch halbwegs gerade zu setzen.
Oben angekommen bot sich uns ein toller Ausblick auf den Petersplatz.
Auf unserem Abstieg machten wir noch einen kurzen Zwischenstop auf der Dachterrasse (die man von unten aus mit dem Lift erreicht, bevor es dann per Treppe weiter nach oben geht). Mal schnell ein Foto von den Kollegen machen, die seit Jahr und Tag so voller Gravitas auf den Petersplatz hernieder gucken.
Wieder unten angekommen folgte dann wohl das Highlight, das mich auf unserer Rom-Tour am meisten beeindruckt hat: das Innere des Petersdoms. Als wir die gigantische Halle betreten hatten, hatte ich quasi die ganze Zeit das Handy vor der Nase, um die prunkvollen Verzierungen zu fotografieren. Als ich dann mal am Handy vorbei geschaut habe, habe ich gedacht: “Guck bloß wieder schnell aufs Handy! Wenn Du Dir diese absolut fantastische Pracht ohne ‘Filter’ anguckst, heulst Du hier gleich vor Ergriffenheit rum.” Tja, und so war es dann auch.
Nachdem ich noch gut 30 Sekunden versucht habe, mich mit dem Blick auf das Display durch den Petersdom zu hangeln, habe ich es dann doch noch gewagt, das Handy zu senken. Angucken, tief durchatmen, das Gewimmel um mich herum komplett ausgeblendet und gedacht: “So etwas Schönes hast Du noch nie gesehen! Nie!”. Nicht nur die kaum greifbare Größe des Petersdoms allein, auch all die vielen kleinen Verzierungen, all die Bilder und Statuen, all das, was über Jahrhunderte mit Blut, Schweiß und Tränen zusammengebracht wurde… Puh. Das hat mich echt überfordert, ich war absolut gerührt und hatte mit den Tränen zu kämpfen. Irre.
Und wenn dann auch noch ein Sonnenstrahl durch die Kuppel fällt kann ich mir so halbwegs vorstellen wie es aussehen muss wenn hier die untergehende Sonne durch das große Fenster hinter dem Altar fällt. Ohne Tempos würde ich das wohl gar nicht durchstehen.
Ich hätte nie gedacht, dass mich das so mitnehmen würde, zumal ich ja nun wirklich kein gläubiger Mensch bin, sondern gerade zur katholischen Kirche auch ein sehr kritisches Verhältnis habe. Natürlich musste ich auch viel daran denken, dass all das Gold der Kirche kaum freiwillig übergeben wurde (ich sage nur Kreuzzüge oder Conquistadores), aber auch diese Gedanken schmälerten meine vollkommene Ergriffenheit kaum.
Auf dem Heimweg machten wir einen Schlenker in Richtung Campo di Fiori, an dem wir zwei Tage zuvor unsere kulinarische Stadtführung begannen. Währenddessen hatten wir eine Spaghetteria gesehen, die glutenfreie Pasta angeboten hat. Da konnten wir also ohne große Probleme beide Nudeln mümmeln. Für mich gab es – als echter Römer – natürlich vorab Suppli und als Hauptgericht “Cacio e Pepe”.
Anschließend ging es mit dem “Kuschelbus” wieder in Richtung Wohnung. Kuschelbus, weil ich es in Rom entgegen meiner sonstigen Erfahrungen ganz toll fand, in einem pickepackevollen Bus zur Feierabendzeit zu fahren. So viele Menschen, so viel Geschnatter, so viel Leben. Toll. Ich war schon immer ganz enttäuscht wenn auf unseren Trips eine U-Bahn eingefahren kam, die nur halbvoll war…Rom ist eben anders.
„Hohe Sonne, du weilst, und du beschauest dein Rom!
Größeres sahest du nichts und wirst nichts Größeres sehen,
Wie es dein Priester Horaz in der Entzückung versprach…“