Lebenszeichen

Schon ein wenig komisch einen Blogbeitrag mit „Lebenszeichen“ zu beginnen, wenn es eigentlich eher um das Gegenteil geht… Vielleicht ist jetzt genau der Punkt gekommen, in dem es in diesem Blog nicht mehr darum geht einfach nur Erlebnisse, Filmkritiken oder Technik-Tipps festzuhalten, sondern es als eine Art Online-Tagebuch zu nutzen. So, wie es vor vielen Jahren (und auf einer ganz anderen Seite) mal angefangen hat.

Wer mich kennt, der weiß, dass ich 2004 und 2005 zweimal mit Blasenkrebs diagnostiziert worden bin. Kurz vor der Hochzeit und kurz nach den zweiten Flitterwochen standen jeweils zwei Operationen für mich auf dem Programm, mit denen ich dieser Erkrankung Herr werden konnte. Am Anfang waren die Nachsorge-Untersuchungen vierteljährlich, dann halbjährlich und schon eine ganze Weile muss ich mich nur noch einmal im Jahr mit diesem Thema konfrontieren. Ich war schon fast versucht zu sagen: „Da ist jetzt seit über zehn Jahren nichts gewesen, dann bin ich wohl geheilt. Dann kann ich mir diese stressige und unangenehme Zystoskopie jedes Jahr doch eigentlich sparen…“. Gut, dass ich es nicht gemacht habe!

Am vergangenen Montag wurde nun in meiner Blase wieder ein Tumor diagnostiziert. Unlucky me. Das „Tolle“ an einer Zystoskopie ist ja, dass man per Monitor live dabei sein kann wenn die winzige Kamera ihren Weg in den Körper findet. Wer hat schon normalerweise die Möglichkeit in sich selbst hineinzuschauen? Dumm nur wenn dann auf einmal vor dieser Kamera bildschirmfüllend eine hässliche Wucherung herumbaumelt, die da ganz bestimmt nicht hingehört. Seitdem bekomme ich diesen kleinen, fiesen Fleischklumpen nicht mehr aus dem Kopf. Täglich blitzt er zigfach vor meinen Augen auf.

Immer wieder gehen mir natürlich die absurdesten Gedanken durch den Kopf. Gar nicht mal so unähnlich jenen Gedanken, mit denen ich mich jahrelang zu den Nachuntersuchungen geschleppt habe. Zu 90 % bin ich immer überzeugt, dass alles in Ordnung ist. Dass ich mir viel Kopf um nichts mache und ich am Ende sagen werde „Mensch, war doch nicht so schlimm. Ist doch alles gut.“ Genauso ist es nun eben auch mit der Diagnose. Den ganzen Tag versuche ich mir immer das Positive vor Augen zu halten. Dass es sich um einen sog. papillären Tumor handelt, der nicht invasiv ins Gewebe hinein wächst, sondern der ähnlich eines Baums nur zu einem kleinen Teil mit dem Gewebe verbunden ist, dessen Geäst aber ins Nichts hineinwuchert. Könnte also viel schlimmer sein. Mein Urologe (übrigens der weltbeste!) hat gleich nach der Diagnosestellung einen OP-Termin im Krankenhaus gemacht. Der Termin ist erst am 17.12., also noch eine Weile hin. Dass mein Doc da nicht interveniert hat bzw. versucht hat, bei einem anderen Krankenhaus einen früheren OP-Termin zu bekommen, sehe ich als gutes Zeichen. Über die Jahre habe ich meinen Doc sehr zu schätzen gelernt und ich weiß: wenn es wirklich dringend wäre, hätte er alle Krankenhäuser im Umkreis für mich abtelefoniert. Also: erst mal ein wenig beruhigen und runterkommen.

Im Anschluss habe ich versucht, die Geschehnisse von 2004/2005 noch einmal Revue passieren zu lassen. Gar nicht so einfach. Solche Erinnerungen schließt die Psyche schön weg, so dass ich überlegt habe, ob ich damals wirklich alles in Wattebäuschen eingewickelt erlebt habe. Viele Erinnerungen an die Zeit im Krankenhaus und danach habe ich nicht. Einzelne Bildfetzen, bisher nie gekannte Schmerzen und die lustigen Szenen als ich aus dem Krankenhaus wieder draußen war und wir uns gemeinsam darüber lustig machen konnten, dass ich wortwörtlich alle fünf Minuten zur Toilette musste.

Was ich damals gar nicht so richtig wahrgenommen habe (und nun versuche positiv zu schätzen): nach den Operationen wurde keine weiterführende Diagnostik gemacht. Es wurde kein Ganzkörper-CT gemacht, um Metastasen auszuschließen. Also kann der Krebs damals ja nicht „so schlimm“ gewesen sein. Und überhaupt: es ist ja noch nicht mal raus, ob das jetzt überhaupt Krebs ist. Ball flach halten, der Herr!

Und so bin ich halbwegs tapfer, halte mir all diese Argumente immer wieder vor Augen, um mir weiszumachen, dass auch diesmal nichts verloren ist. Auch jetzt geht das 90% der Zeit gut. Doch irgendwann sitzt man dann eben doch in der KFZ-Werkstatt, wartet darauf, das die Winterreifen draufgezogen werden und überlegt: „Was wäre denn, wenn das jetzt gerade hier das letzte Mal Winterreifendraufziehen wäre?“. Das sind dann eben die 10%, in denen es einem nicht so gut geht…

3 Gedanken zu „Lebenszeichen“

  1. Ach Andy, das tut mir so leid. Ich habe es ja schon auf Instagram geschrieben. Es freut mich dagegen, wie positiv du an die Sache herangehst und ich bin mir schon alleine deshalb sicher, dass du als Sieger aus der Sache rausgehen wirst. Die Zeit dazwischen wird bestimmt in Teilen eine Qual werden, aber das ist es bestimmt wert. Ich drücke dir alle erdenklichen Daumen. Wie schon gesagt: der Sport hat bestimmt positive Spuren bei dir hinterlassen. Ich wünsche dir das Beste!

  2. @bullion:
    Danke für den Zuspruch. Momentan bin ich recht zuversichtlich. Der Bammel vor der stationären Behandlung wird sich wohl nicht legen, aber immerhin ist der erste Schock verdaut und – wie Du auch schreibst – gerade wegen meiner ganz okayen Konstitution werde ich das alles sicherlich gut wegstecken. Wenn ich daran denke: seinerzeit war ich weit schlechter in Form, hatte über zehn Jahre keinen Sport betrieben…

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