Filmkritik: „Sully“

Wie viele andere habe auch ich von diesem Flugzeugunglück per Twitter erfahren: ein Flugzeug, dessen beide Triebwerke durch einen Vogelschaden ausgefallen waren, musste auf dem Hudson River notlanden. Die Bilder eines Flugzeugs, dessen Passagiere auf den Tragflächen auf die Rettung warteten, gingen damals um die Welt und festigten den Ruf des jungen Social-Media-Dienstes Twitter als topaktuelles Nachrichtenmedium. Während New York und der Rest der Welt den Piloten Chesley B. Sullenberger (Tom Hanks) für diese fliegerische Glanzleistung feierten, erhob eine Gutachterkommission schwere Vorwürfe gegen den Piloten. Er hätte die die Möglichkeit gehabt die Maschine gleich auf zwei nahen Flughäfen auch ohne Triebwerke sicher zu landen, anstatt eine Notwasserung durchführen zu müssen. Clint Eastwoods Film “Sully” arbeitet das Flugzeugunglück und die Ermittlungen auf.

Eigentlich bin ich ein großer Fan von den Regiearbeiten Clint Eastwoods. „Mystic River“, “Million Dollar Baby” und “Gran Torino” gehören zu meinen Lieblingsfilmen. Aber um es klipp und klar zu sagen: “Sully” war aus meiner Sicht ein echter Griff ins Klo. Dass der Film mit einer Laufzeit von gerade mal 93 Minuten der kürzeste Eastwood-Film ist, lässt schon Rückschlüsse auf den Inhalt zu. Und tatsächlich: so aufmerksamkeitswirksam die Bilder der notgewasserten Maschine um die Welt gingen, so wenig gibt die Story für einen Kinofilm her. Fakt ist: 6 Minuten nach dem Start lag das Flugzeug auch schon wieder im Wasser, die gesamte anschließende Rettungsaktion dauerte keine 30 Minuten.

Kleiner Spoiler in diesem Absatz: ebenso unspannend ist das Gutachterverfahren. In Kurzform: “Sie hätten wo anders landen können” – “Nein, das wäre nicht gegangen, weil wegen isso” – “Wir prüfen das…. oh, stimmt. Na dann mal Respekt für Ihre tolle Notwasserung”.

Da die Notlandung an sich nicht wirklich viel verfilmbares “Futter” liefert, beschäftigt sich Eastwood hauptsächlich mit den Geschehnissen nach der heldenhaften Tat. Wer hier aber ein Verfahren im Format einer Grisham-Verfilmung erwartet, in der immer wieder neue Hinweis oder unter Druck gesetzte Kronzeugen erwartet, der wird von der gezeigten lapidaren Bürokratie herbe enttäuscht. Ich bin schon bass erstaunt, dass selbst ein so kurzer Eastwood-Film nach hinten raus solche Längen haben kann. Wenn im Gutachter-Verfahren das Szenario nach dem Vogelschlag mehrfach im Simulator mit allen möglichen Alternativen nachgespielt sind und letztlich schon trotzdem klar ist, wie das Ergebnis aussehen wird, müsste man Eastwood schon fast unterstellen, dass er diese Simulator-Flüge in Beinahe-Echtzeit filmt, um auf die 90 Minuten zu kommen, die eine Kinoauswertung rechtfertigen.

Dass in mehreren Szenen noch der hysterische Sully-Hype aufgegriffen wird, der dem Flieger-Ass spontane Umarmungen und Küsschen eingebracht hat, macht den Kohl dann auch nicht mehr fett. Ebenso wenig vermag es Hanks‘ darstellerische Leistung den Film über ein halbwegs gesundes Mittelmaß zu retten.

So berechtigt es auch sein mag, diesem begabten Piloten für seine herausragende Leistung ein filmisches Denkmal setzen zu wollen, so sehr scheitert Eastwood doch an der eigentlichen Spannungsarmut, die der Stoff an sich bietet.

Wertung: 2/5

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