Filmkritik: „Sing Street“

Was Jungs in der Pubertät nicht alles machen, nur um ein Mädchen zu beeindrucken. Das war auch im Dublin der 80er Jahre nicht anders. Die 16jährige Raphina gibt an, Model zu sein. Grund genug für Conor ihr anzubieten im nächsten Musikvideo seiner Band mitzuspielen. Einziges Problem: Conor hat noch gar keine Band, geschweige denn Songs. Gemeinsam mit einem Kumpel spricht er ein paar Mitschüler an, die dann letztlich unter dem Bandnamen “Sing Street” firmieren, benannt nach ihrer erzkatholischen Schule. Genau an der macht sich der Neuling Conor mit wechselnden Frisuren und Schminke nicht gerade beliebter. Egal: durch seine gefühlvollen Songtexte mach Conor sich daran, Raphinas Herz für sich zu gewinnen. Das ist es, was zählt.

Hurra, ein neuer Film von John Carney! Der ist schuld daran, dass ich allein beim Gedanken an seine bisherigen Werke “Once” und “Can A Song Save Your Life” eine Instant-Gänsehaut und leuchtende Augen kriege. Entsprechend bin ich an “Sing Street” mit einer euphorischen Oh-mein-Gott-ich-werde-diesen-Film-so-lieben-Attitüde herangegangen. Und? Hat geklappt!

Gleich zu Beginn sitzt Conor mit seinem großen Bruder vor dem Fernseher. Es läuft das legendäre “Top of the Pops”, gezeigt wird das “Rio”-Video von Duran Duran und beide feiern es ab. Dass diese Band eine große Zukunft hat, dass John Taylor einer der besten Bassisten Englands sei und Musikvideos ja sowieso der neueste und heißeste Scheiß schlechthin. Ach ja, da werden schon Erinnerungen wach – auch wenn es bei mir statt “Top of the Pops” eher “Formel Eins” war.

Natürlich sehen alle so aus, wie Kids in den 80ern eben aussahen. Natürlich wird die Musik gespielt, die in den 80ern allgegenwärtig aus den Radios gedudelt kam. Da gerate ich als Kind der 80er natürlich sofort in eine Nostalgie-Schleife. Wie auch bei Carneys anderen Filmen macht die Musik hier natürlich einen Großteil der Magie aus. Besonders unterhaltsam fand ich die Tatsache, wie sehr sich Musik und Look von “Sing Street” an den damals aktuellen Trends orientierten. Lief in einer Szene nebenbei kurz “Maneater”, klingt das nächste selbst komponierte Lied haargenau wie Hall & Oates. Direkt im Anschluss an einen Ausriss aus Spandau Ballets “Gold” sieht man Conor mit feinster Tony-Hadley-New-Romantics-Frisur durch die Schule stolzieren.

Vom Schauspielerischen her muss ich Conor-Darsteller Ferdia Walsh-Peelo ein großes Kompliment machen. Ihm gelingt es – unterstützt von Make-up- und Kostümabteilung – authentisch seinen Wandel vom verschüchterten Schüler zum selbstbewussten Songwriter darzustellen. Wirkte er anfangs scheu und ängstlich, sieht man – soviel sei verraten – zum Ende hin einen jungen Mann, der erhobenen Hauptes in seine Zukunft schaut.

Und trotzdem: ganz so geflasht wie die anderen beiden Filme hat “Sing Street” mich dann doch nicht. Ich kann noch nicht mal sagen, warum. Vielleicht ist das meiner gesteigerten Erwartungshaltung geschuldet. Zwar ist “Sing Street” somit kein neuer Herzens-Film, aber dennoch einer, den ich guten Gewissens empfehlen kann und den ich irgendwann sicherlich auch gerne ein zweites Mal gucken werde.

Wertung: 4 / 5

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